Die neue Macht der 50plus-Frauen

Zukunftsforscher Eike Wenzel erklärt im Interview mit Petra Apfel auf “Focus Online”, was es mit den „Downagern“ auf sich hat.
Generation 50plus, Downager, Babyboomer
Keine Überraschung: Sie bestimmt.

Und warum Frauen über 55 die treibende Kraft sind für ein erfülltes Leben zwischen Gesundheitsbewusstsein und Genuss.

Eike Wenzel weiss, wie wir in zehn, 20 oder 30 Jahren unser Leben gestalten werden. Als Leiter des Instituts für Trend- und Zukunftsforschung in Heidelberg spürt er Entwicklungen nach, die später einmal bedeutsam werden.

Das können wirtschaftliche Veränderungen sein, aber auch gesellschaftliche Überzeugungen und Werte oder die Altersstruktur der Bevölkerung. Der demografische Wandel mit all seinen Folgen stellt eine besondere Herausforderung für die Zukunftsforschung dar, weil er alle Bereiche betrifft - vom individuellen Lebensstil bis zum gesamtgesellschaftlichen Wohlergehen.

Derzeit bestimmen die Probleme der alternden Gesellschaft die Diskussion: Finanzierbarkeit, Pflegenotstand, Demenz. Daneben, oder besser gesagt zuvor, greifen positive Entwicklungen.

Denn, wie Eike Wenzel sagt: "Die Gesellschaft wird älter, aber alle fühlen sich jünger." "Downager" ist daher ein passender Name für die neue Generation 50 plus. Es ist eine aktive, erlebnishungrige, gesundheitsbewusste und konsumfreudige Bevölkerungsgruppe.

Eine grosse ausserdem: Schon heute sind 40 Prozent der Deutschen über 50. Eike Wenzel erklärt im Gespräch, was diese Generation von den Älteren früherer Jahre unterscheidet.

Focus online: In Ihrer Analyse "Gesundheit 2030" beschreiben Sie, wie sich das Selbstverständnis der "Downager" in punkto Gesundheit verändert hat. Hat plötzlich keiner mehr Altersbeschwerden?
Eike Wenzel: Arthrose, Haarausfall und Altersweitsichtigkeit gibt es natürlich nach wie vor. Aber seit einigen Jahren hat sich das Bewusstsein für den Körper verändert. Die Menschen wollen ihre Gesundheit nicht mehr allein den Ärzten überlassen, beziehungsweise sich nicht mit der Behebung von Krankheiten begnügen. Die klassische Gesundheitsversorgung genügt den Menschen in Zukunft nicht mehr. Sie haben eine proaktive Haltung, sind bereit, etwas für ihre Gesundheit zu tun.

Heisst das, sie wollen gesund leben oder mehr Selbstzahlerleistungen in Anspruch nehmen?
Beides. Sie wollen einfach gesund und fit bleiben. Daher werden die Angebote des sogenannten zweiten Gesundheitsmarkts, also privat finanzierte Leistungen, weiter wachsen, der derzeit schon geschätzte 60 Milliarden Euro umsetzt (80 bis 100 Milliarden sind es für den ersten Markt, dessen Kosten vor allem Kranken- und Pflegeversicherung abdecken). Dabei spielt das enorme Bedürfnis nach ganzheitlichen und alternativmedizinischen Ansätzen eine wichtige Rolle. Dafür sind die Menschen auch bereit, Geld in die Hand zu nehmen.

Angeblich sind 80 Prozent aller Käufe durch Gesundheitsaspekte motiviert. Das kann doch nicht sein.
Diese Zahl geistert seit einiger Zeit herum, ohne dass die Quelle bekannt ist. Sie ist aber durchaus realistisch. Niemand kauft mehr Sonnencreme ohne Lichtschutzfaktor, die Entscheidung für ein Auto wird wegen dessen Sitzkomforts getroffen, von zwei gleich schönen Schuhmodellen wählt man die bequemeren, ein Hotel mit Wellnessbereich erhält den Vorzug gegenüber einem ohne - für die gesundheitsbewusste Generation 50 plus gilt das erst recht.

In Ihrer Untersuchung "Wie wir morgen leben werden" haben Sie 15 Lebensstil-Trends der Zukunft erfasst. Welche betreffen die Downager besonders?
Da ist zum einen die neu entdeckte Bedeutung der Frau über 55 als Konsum-Entscheiderin. Auf der männlichen Seite haben wir den "grey hopper" definiert, der mit 50 plus noch einmal an seine Grenzen geht. Aber besonders wichtig wird das, was wir als "Grossfamilie 2.0" bezeichnen. Dabei handelt es sich um eine moderne Form des Mehr-Generationen-Haushalts mit lockeren Bindungen. Das heisst zum Beispiel, dass erwachsene Kinder - etwa nach einer Trennung oder Jobverlust - wieder ins Elternhaus ziehen, aber auch schnell wieder gehen, wenn sich für sie etwas ändert. "Grossfamilie 2.0" heisst auch, dass Grosseltern zur Entlastung der erwerbstätigen Eltern beitragen. Sie holen Kinder von der Schule ab, bringen sie zu Training oder Musikunterricht, fahren mit den Enkeln auch mal in Urlaub.

Klingt ziemlich stressig für Oma und Opa.
Überhaupt nicht. Wir reden hier von Downager-Grosseltern, die sich noch vital und jung fühlen. Und die Verantwortung für die Enkel trägt zur Lösung einer Frage bei, die sich früheren Senioren nicht gestellt hat: Wie kann die Generation zwischen 55 und 80 ihr Leben mit Sinn füllen.


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