Scheidung im fortgeschrittenen Alter - ein Gewinn?

Ist Scheidung eine Option im Alter? Nach Jahrzehnten Eheroutine und gemeinsamen Kindern doch noch die Wege trennen? Das kann durchaus Auftrieb geben.
Scheidung im fortgeschrittenen Alter - ein Gewinn?
Scheidung muss ja kein Krieg sein, besser geht's mit Rücksicht (Bild iStock)

Plötzliche Freiheit von Null auf Hundert: die späte Scheidung

Hand aufs Herz. Wie viele Paare kennen Sie, die vollkommen erloschen zu sein scheinen? Leben so vor sich hin, Seite an Seite mit dem Ehepartner, ohne diesen wirklich wahrzunehmen oder gar ohne Anzeichen von verbliebenem Respekt zu behandeln? Es ist wahr, dass man sich an fast alles und jeden über viele Jahre hinweg gewöhnen kann. Aber das kann doch nicht alles gewesen sein? Entweder eine unglückliche Ehe verebbt in ständigen Sticheleien oder in komplettem Ignorieren des Anderen. Diese Versionen werden für ständigen Groll sorgen, Reibereien oder den eiskalten Wind ins Gesicht wehen, der auch kein Wohlbefinden erzeugen kann. Eine weniger auffällige Form der versteppten Ehelandschaft nach Jahrzehnten wäre ein schlichtes Nebeneinanderher-Leben, das rein funktionellen Charakter hat und nicht viel mehr darüber hinaus bietet. Das funktioniert im Alltag noch recht gut, eigentlich ist es ein gut eingelaufenes Uhrwerk, das da tickt. Aber das Herz, der Verstand, das Blut? In einem Wort, es ist fürchterlich langweilig. Wie kommt man da raus? Da die Kinder in fortgeschrittenem Alter der Eltern, oder gar deren Seniorenalter, schon lange aus dem Haus sind und eigene Wege gehen, taugen sie nicht länger als Entschuldigung dafür, den Status Quo zu bewahren und zusammenzubleiben.

Scheidung wider allen Widerstand der Umgebung, denn dazu wird es kommen

Ein anderer Grund für die Beibehaltung einer erloschenen oder verdorbenen Ehe wäre die Furcht davor, was die Aussenwelt davon meinen könnte. Man hat schliesslich gemeinsame Bekannte und eine Nachbarschaft, von der Verwandtschaft beiderseits ganz zu schweigen. Eine späte Ehescheidung im hohen Alter würde ja noch mehr Furore machen als eine in mittleren Jahren, denn es gibt sie seltener und die Sprunghaftigkeit betagter Personen wirkt deutlich irritierender auf das Publikum als die von jüngeren Paaren, die sich plötzlich trennen. Nicht nur die Partner in einer jahrzehntealten Ehe haben sich daran gewöhnt, auch die Umgebung kann sie nicht anders wahrnehmen als eine 'Einheit', deren Auseinanderbrechen um so unerhörter anmuten wird. Da müssen Sie durch. Das müssen Sie ertragen, inklusive der einen oder anderen Schuldzuweisung, Vorwürfen und dem Bruch einer Freundschaft. Manche Leute ertragen es nicht, wenn eine fest gefügte Welt Risse zeigt und sich Veränderungen ergeben, selbst wenn es sich um die als statisch empfundenen Ehen anderer handelt. Sie wollen aber selbst einen neuen Horizont sehen und frische Empfindungen ernten, was sollten Sie sich also um die Befürchtungen anderer Leute scheren, die ihre Umgebung zementiert sehen möchten? Die Trennung und Ehescheidung erfordert Kraft, keine Frage. Aber Sie werden auch neue Kraft allein aus der Tatsache schöpfen, dass es sich um eine Art Befreiungsschlag handelt. Im Alter weiss man: es gibt nicht mehr viele Gelegenheiten zu solchen.

Nach der Scheidung - die Früchte des Zorns, oder der Öde, sind süss ...

Es ist ja nicht so, dass sie sich grosse Sorgen um ihre Partnerin oder ihren Partner, die/der nunmehr zur/m Ex avanciert, machen müssten. Es gibt gesetzliche Regelungen zum Unterhalt, die in jedem Alter greifen. Es landet niemand plötzlich auf der Strasse, nur weil man sich zur Trennung entschliesst. Im Gegenteil, selbst für den zurückbleibenden, unwilligen Partner eröffnet sich damit die Chance, einen neuen Partner zu finden, der auch die Situation dieser Person zum Besseren wandeln könnte. Auch wenn das nicht gleich begriffen wird. Denn Ehescheidung im Alter muss nicht eine neue Einsamkeit nach der Einsamkeit in der Ehe bedeuten. Im Gegenteil, Sie werden überrascht sein, wie viele Menschen sich im reifen Alter nochmals auf die Suche nach Lebenspartnern machen. Darunter verwitwete Personen, die nicht die Absicht haben, für die restlichen Jahre Mauerblümchen zu spielen, und an die zu geraten Sie viele Jahre keine Möglichkeiten hatten, da diese in einer funktionierenden, ja vielleicht sogar glücklichen Ehe eingebunden waren. Aber jetzt sieht alles anders aus. Neues Spiel, neues Glück. Deutlich aufregender als eingelaufener Ehemief ist das allemal.

Scheidung muss ja kein Krieg sein, besser geht's mit Rücksicht

Verstehen Sie das nicht als Ermunterung, Ihren nichtsahnenden Partner ins bodenlose Nichts zu stürzen. Die Vorbereitung zu Trennung und Ehescheidung sollte behutsam laufen, und man muss auch später nicht auf Kontakt verzichten, wenn es nicht gerade die Hölle auf Erden oder die gegenseitige Abneigung ebenso bodenlos war. Eine einvernehmliche Scheidung ist immer besser als ein Rosenkrieg zum Ende des gemeinsamen Lebensabschnitts; auch wenn die Rosen hier schon recht verwelkt sind, ihre Stacheln stechen immer noch. Danach können Sie sich Dingen zuwenden, die Sie seit vielen Jahren wohl verdrängen mussten und nur davon träumen durften. Alles, dem der Partner im Wege stand. Die neue Freiheit kann berauschend sein, jetzt, da sie nicht mehr von einem anders gearteten oder schlichtweg untätigen Partner ausgebremst werden. Mit etwas Glück finden Sie jetzt jemanden, der ähnlich wie Sie nach Luft schnappt und das freie Leben in vollen Zügen auskosten will. Das wiederum macht zu zweit um so mehr Spass, zum Beispiel Verreisen in exotische Länder.


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