GENUSS
Was unser tägliches Essverhalten prägt
Was und wie wir essen, ist ja einfach eine lieb gewordene Gewohnheit. Was bewegt Menschen, anders zu essen? Jedenfalls nicht die Belehrungen durch Informationsbroschüren oder Zeitungsartikel. Wir essen so, wie wir es von unseren Eltern gelernt haben. Und wir tun es nicht bewusst, sondern grösstenteils unbewusst: 80 Prozent der Ess-Entscheidungen treffen wir aus dem Bauch heraus.
War früher alles anders und besser?
Früher haben sich die Menschen viel mehr mit Lebensmitteln beschäftigt. Noch vor 100 Jahren waren 85 Prozent der Bevölkerung Bauern und in weiten Teilen Selbstversorger. Heute haben wir die Versorgung an die Lebensmittelhersteller und -händler abgegeben. Zu unserem Vorteil? Sicher ist das ganz bequem. Gleichzeitig haben wir aber den Bezug zu unserem Essen verloren. Und es ist heute selbstverständlich, irgendetwas allein vor sich hin zu mampfen oder „to go“ zu essen, also unterwegs aus der Hand einen Kaffee oder ein belegtes Brötchen.
Damit befriedige ich ein Bedürfnis, meinen Hunger. Aber ist Essen nicht mehr?
Doch, ist es. Die von der Mutter liebevoll gekochte Suppe gibt uns auch Geborgenheit und Sicherheit. Mit Essen zeigen wir unsere Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe: Sushi-Esser demonstrieren, dass sie sich etwas leisten können. Und durch meine Ernährung kann ich sogar meine Überzeugungen leben – der Vegetarier zum Beispiel, der nicht möchte, dass ein Tier für ihn sterben muss. Das ist eine Form der Selbstverwirklichung.
Aber muss man gleich Vegetarier werden, um mit einem guten Gefühl zu essen?
Natürlich nicht. Nehmen Sie sich die Zeit, in Ruhe zu essen. Und tun Sie es, wenn irgendwie möglich, gemeinsam. Wenn ich – statt mein Essen runterzuschlingen – jeden Tag ein kleines Fest daraus mache, werde ich wirklich satt und bin zufrieden.
Was können Grosseltern ihren Enkeln mitgeben?
Gemeinsame Mahlzeiten sind für viele Kinder nicht mehr selbstverständlich. Sie geniessen es, wenn bei der Oma alle zusammen am Tisch sitzen. Daran werden sie sich auch später noch gern erinnern – und es den Grosseltern hoffentlich gleichtun.